Tijarafe und die Legende der Jungfrau des Lichts

Der stammt Text von María Victoria Hernández, sie ist offizielle Chronistin der Stadt Los Llanos de Aridane (2002), Mitglied der Academia Canaria de la Lengua (2009) und der Real Academia Canaria de Bellas Artes San Miguel Arcángel (2009).

Ihr Originalartikel "Tijarafe y la leyenda de la Virgen de la Candelaria" erschien am 5. September 2021 in der Zeitung "El Diario", dies ist eine adaptiere Übersetzung:

Tijarafe und die Legende der Jungfrau des Lichts

Es ist das zweite Jahr in Folge, in dem das infernalischste Teufels-Fest aller Zeiten stattfindet: die Feierlichkeiten für Nuestra Señora de la Candelaria wurden wegen der weltweiten Covid-19 Pandemie abgesagt.

Nichtsdestotrotz läuft der liturgische Kalender weiter und es scheint angebracht, ein Zeugnis zu hinterlassen: "Tijarafe und die Legende der Virgen de la Candelaria". 

In Tijarafe, was in der prähispanischen Guanchen-Sprache "Ort des Schattens und der Kühle" bedeutet, herrschte Atogmatoma, Krieger und Verteidiger der territorialen Integrität seines Volkes Hiscaguán. Zur Zeit der Eroberung konnte er nur aufgrund der Verlobung seiner Tochter Tinabuna mit dem Häuptling von Aridane, den sie Mayantigo nannten, und aufgrund seines hohen Alters Frieden mit seinen Nachbarn schließen. Von diesem prähispanischen Dorf haben die heutigen Bewohner die Liebe zum Land und zur Arbeit in einem trockenen und kargen Gebiet geerbt.        

Tijarafe empfängt die Reisenden in El Time, einem Aussichtspunkt mit Blick über das Aridanetal, der einen letzten Blick zurück erfordert: zwischen Mandelbäumen, El Paso; zwischen Bananenplantagen, Los Llanos de Aridane und Tazacorte; zur Linken die gewaltige Aushöhlung der Caldera de Taburiente; und bei Cumbre Vieja, fast am Fuße des trockenen Birigoyo-Gipfels, der schwarze Lavastrom des Vulkans San Juan (ausgebrochen im Jahr 1949), dessen Farbe durch das Grün der Bananenplantagen unterbrochen wird, nahe der Küste. In der Ferne, an der Südspitze, Fuencaliente und an manchen klaren Tagen, die Silhouette der Insel El Hierro. 

Der Schriftsteller und Finanzminister Pascual Madoz beschreibt in seinem "Diccionario geográfico-estadístico-histórico de España (1840-1850)" El Time als "eine geschwärzte vulkanische Klippe, die so präpariert ist, dass sie wie eine Mauer aussieht, und doch ist sie ein Vogelpfad, den man zu Pferd erklimmen kann". 

Der alte Camino real schlängelt sich in Form einer Schnecke durch El Time; mit 73 Kurven ist er noch immer zwischen den Bananenstauden von "Amagar" erhalten – einem Ortsnamen der Ureinwohner, den der portugiesische Reisende Gaspar Fructuoso im 16. Jahrhundert mit "saurer, rauer und bitterer Aufstieg" übersetzte. (Bitter heisst auf spanisch "amargo/a".)

Auf dem von den Klippen gebildeten Plateau pflügten die Tijaraferos das Land für den Bananenanbau, und zwar so nah am Rand der "fuga" (Klippe), dass sie, wenn sie gekonnt hätten, Terrassen als Balkon mit Blick auf den Atlantik gebaut hätten. 

An dieser Küste, die nur auf dem Seeweg zu erreichen ist, haben die Wildheit und die Stürme des Atlantiks die Cueva bonita geformt; in ihrer Nähe befindet sich der Porís de Candelaria, der einzige Ort der Seefahrt in dieser Gegend. In seinem Werk "Noticias para la Historia de La Palma" (Nachrichten für die Geschichte von La Palma) beschrieb Juan Bautista Lorenzo, ein gebürtiger Palmero, seine Eindrücke von der Bonita-Höhle Ende des 19. Jhd.: "Wenn man sich in dieser Höhle befindet, weiß man nicht, was man mehr bewundern soll, sei es das Gewölbe, das sie bedeckt, blau, weiß und grün marmoriert, als ob es sich um erlesenen Marmor handelt, der von der Hand eines geschickten Künstlers poliert wurde, oder der helle Hintergrund der Höhle, in dem man eine Vielzahl von kleinen Fischen sehen kann, die von einer Seite zur anderen laufen, was den Geist und das Auge erfreut". 

In der Nähe der Höhle befindet sich die Punta del Moro, deren Name an die Überfälle der Mauren im 17. Jahrhunderts erinnert.

Bei einem dieser Überfälle verhinderten die Schelmenhaftigkeit und die Ortskenntnis den sicheren Tod der Matrosen eines kleinen Schiffes aus Tazacorte, die durch den einen Eingang der Höhle ein- und durch den anderen wieder ausstiegen, während die Mauren im ersten Eingang auf sie warteten.        

Nach dem Aussichtspunkt El Time führt die Hauptstraße weiter in den Norden der Insel. In La Punta befindet sich die Bananenkooperative "La Prosperidad", deren Name an den Wunsch der Tijaraferos nach Wohlstand erinnert; dahinter steht der runde Turm einer alten Gofio-Mühle, die heute keine Flügel mehr hat; in Arecida stehen Häuser in den Obstplantagen; in El Jesús die Einsiedelei Buen Jesús, die 1530 erbaut wurde und die Bilder des Niño Jesús und der Virgen de la Consolación beherbergte, bis ihr Mudéjar-Dach Ende 1992 einstürzte, später restauriert und zum Kulturgut erklärt wurde.  

Die Straße verläuft parallel zur alten Königsstraße (camino real), die bis vor nicht allzu langer Zeit nur bis zur Jurado-Schlucht reichte.

Auch hier greifen die Toponyme der Insel die Beschreibung des Gebirges auf: In dieser Schlucht hat die Natur zwei große Löcher in den Fels geschlagen, von denen eines halb zerstört ist und durch das die einzige Straße führte. Der französische Wissenschaftler René Verneau spricht in "Fünf Jahre Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln" (Paris, 1891) über das, was für ihn die Horadado-Schlucht und für die Palmeros die Jurado-Schlucht (agujereado, perforiert) ist, und sagt: "ein neues Hindernis: es ist die Horadado-Schlucht. Der Blick von oben auf den Boden ist schwindelerregend, und es gibt keine Spur eines Weges, der in diesen Abgrund führt. Unser Führer führte uns um eine Kurve und wir standen vor einer Brücke. Der Mensch musste sich nicht besonders anstrengen, um sie zu bauen. Ein natürlicher, etwa drei Meter dicker Bogen ermöglicht es uns, von einer Seite zur anderen zu gelangen. Die Natur hat geschafft, was sich die Kanaren nicht hätten träumen lassen". 

Die Gemeindehauptstadt von Tijarafe liegt in Candelaria.

Der Name der Jungfrau und der Schutzpatronin wurde als Name für dieses Gebiet gewählt, das sich um die Kirche herum zu entwickeln begann und in dem die gepflasterten Straßen und die traditionelle Architektur noch erhalten sind.  

Im Jahr 1515 begann der Bau einer kleinen Eremitage an der Stelle der heutigen Kirche, und 1571 war sie bereits eine Taufkapelle. Im Jahr 1660 wurde durch ein königliches Dekret von Felipe IV. ein neuntes Pfründesystem in Santa Cruz de La Palma geschaffen, da die Kirche von El Salvador, die der Kirche von Tijarafe entsprach, sehr abgelegen war und das Recht hatte, einen angestellten Kaplan zu haben.

Die Kirche besteht aus einem einzigen Schiff mit zwei Seitenkapellen, die den Grundriss eines lateinischen Kreuzes bilden.

Der Bogen der Hauptkapelle ist aus rotem Stein und ruht auf einer mit Ovalen verzierten Säule; auf der rechten Seite dieser Kapelle befindet sich ein kurioses Fenster mit einer Sternenblume. Professor Juan-Sebastián López schreibt in seinem Buch "La Arquitectura del Renacimiento en el Archipiélago Canario" (Renaissance-Architektur auf dem Kanarischen Archipel) über die Rosenkranzkapelle: "Noch merkwürdiger ist der Bogen vor der Rosenkranzkapelle, an dem man einen gotischen Primitivismus und die Verwendung von zwei Arten von Mauerwerk erkennen kann: der Sockel ist aus grauem und der Rest aus rotem Mauerwerk".

Eine weitere sternförmige Blume, ähnlich der im Fenster der Hauptkapelle, erscheint in diesem Rosenkranzbogen. Die Kirche Nuestra Señora de Candelaria zeichnet sich durch ihren besonderen Glockenturm aus, der 1686 erbaut wurde und sich an der Rückseite der Kirche befindet; er ist über eine Außentreppe von der Straße aus zugänglich. Bei Festlichkeiten wird das Läuten der Glocken von den Klängen der "Tajaraste" begleitet, die auf einer "caja de guerra" (Trommel) gespielt wird und deren Echo sich bis in die Berge ausbreitet und vervielfacht. 

Ein entscheidender Moment für die Altarbildkunst auf den Kanarischen Inseln war das zweite Drittel des 17. Jhd. – Professor Alfonso Trujillo wies in "El Retablo barroco de Canarias" (Barockes Altarbild auf den Kanaren) auf seine Bedeutung hin: "Wir müssen im Jahr 1628 beginnen, als ein Name, Antonio Orbarán, und ein monumentales Altarbild auftauchten, jenes in der Hauptkapelle der Pfarrkirche Nuestra Señora de Candelaria de Tijarafe".

Dieses Altarbild, das als einzigartig auf den Kanarischen Inseln gilt, ist in fünf Abschnitte unterteilt.

Die Besonderheit besteht darin, dass sich zwischen den Gassen und den Säulen ein außergewöhnliches geschnitztes Apostolat befindet, das den Anschein erweckt, als gäbe es elf Gassen, die eine gemischte Formel zwischen Malerei und Skulptur darstellen; die Malereien weisen deutliche Spuren der flämischen Schule auf. Die Nische der Jungfrau von Candelaria ragt im zentralen Durchgang hervor. Das Apostolat ist auf der Vorderseite dargestellt; das Haupt des heiligen Petrus ragt über alles hinaus. Im Jahr 1993 begannen die Restaurierungsarbeiten an diesem prächtigen Altarbild.        

Bereits 1567 taucht das Bild der Virgen de la Candelaria in einem hölzernen Tabernakel im Inventar auf.

In den folgenden Jahren wird in den Kirchenbüchern die Anschaffung von Juwelen und Mänteln erwähnt, bis schließlich das barocke Altarbild von Antonio de Orbarán angebracht wird. Es handelt sich um eine flämische Skulptur aus polychromem Holz aus dem 16. Jahrhundert mit langen Haarsträhnen, einem Kopfschmuck und einem Band auf der Stirn sowie dem in einen Mantel gehüllten Jesuskind, das in seiner Hand eine Birne (Symbol der Menschwerdung) und einen Vogel (Symbol der Seele des Sünders) hält. 

Mündliche Überlieferungen besagen, dass die Jungfrau von Candelaria auf ihrem Weg nach Puntagorda in der Höhle der Schlucht von Pino Araujo versteckt wurde, um sie vor Piraten zu schützen, die die Küsten durchstreiften.

Als sie sie abholen wollten, um ihre Reise fortzusetzen, war sie so schwer, dass sie sie nicht tragen konnten, und sie interpretierten sofort, dass es der Wunsch der Jungfrau war, in Tijarafe zu bleiben. An der gleichen Stelle ist ein Brunnen entstanden. Jedes Jahr im September wandern die Pilger auf den schmalen Pfaden zur Höhle, wo sie der Ankunft ihres Schutzpatrons gedenken, das Wasser aus dem Brunnen trinken und eine Messe "genießen". 

Tijarafe, ein Ort des Schattens und der Frische, nähert sich seinen wichtigsten Terminen des Festes von Nuestra Señora de la Candelaria, ["candela", das Licht, ihre Ikonographie wird mit einer Kerze identifiziert]. Mit Sicherheit wird die Jungfrau und Tijarafera auch in diesem Jahr wieder gegen den "Teufel" und das Böse in Form von Covid-19, kämpfen und triumphieren. 

Artikel "Tijarafe y la leyenda de la Virgen de la Candelaria" von María Victoria Hernández, erschienen am 5. September 2021 in der Zeitung "El Diario" / Übersetzung und Bilder: Uka Roesch

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